Autor: Jana Weiss
Alle Kinder haben einen Rechtsanspruch auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung. Dieser Rechtsanspruch kann in verschiedenen Einrichtungsformen (z.B. Kindertagesstätte, Tagespflege, Hort) erfüllt werden. Da Kinder ihre Rechte noch nicht selbst einfordern können, fällt diese Aufgabe den Erziehungsberechtigten zu.
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen dem sogenannten Kernrechtsanspruch und dem bedingten Rechtsanspruch. Der Kernrechtsanspruch steht jedem Kind zu und leitet sich aus dem Recht der Kinder auf Erziehung, Bildung, Betreuung und Versorgung ab. D.h. auch Kinder deren Eltern z.B. nicht erwerbstätig sind und die Betreuung theoretisch selbst übernehmen könnten, haben einen Anspruch in diesem Umfang.
Der Kernrechtsanspruch liegt bei einer Betreuungszeit von 6 Stunden täglich bzw. 30 Stunden wöchentlich vom 1. Geburtstag bis zur Einschulung. Anschließend umfasst der Mindestrechtsanspruch 4 Stunden bzw. 20 Wochenstunden für Kinder bis zur Versetzung in die 5. Jahrgangsstufe. Gelegentlich wird der Kernrechtsanspruch auch als Vollzeitbetreuung bezeichnet – suggeriert jedoch, dass es den Eltern im Rahmen des Kernrechtsanspruch möglich sei, einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachzugehen. Da dies jedoch offenkundig nicht der Fall ist, existiert neben dem Kernrechtsanspruch der bedingte Rechtsanspruch.
Der bedingte Rechtsanspruch soll die persönlichen Lebensumstände der Eltern und Kinder berücksichtigen. I.d.R. ist z.B. die Erwerbstätigkeit der Eltern relevant aber auch andere Umstände – wie z.B. Krankheit eines Elternteils o.ä. Der bedingte Rechtsanspruch gilt für alle Kinder ab der Geburt und gilt bis zur Versetzung in die 7. Jahrgangsstufe – also bis zum Ende der Grundschulzeit.
Zwar hat der Bundesgesetzgeber einen Rechtsanspruch (ohne Kapazitätsvorbehalt!) auf Betreuung formuliert, überlässt aber die Ausgestaltung den einzelnen Bundesländern. Für die Umsetzung ist der örtliche Jugendhilfeträger (= Kreisjugendamt) zuständig. Diese wiederum kann diese Aufgabe an die Wohnortgemeinden der Kinder übertragen. Im Amtsbereich Brück ist dies der Fall, d.h. Zuständig sind im Amtsbereich Brück die Wohnortgemeinden, die durch das Amt Brück vertreten werden.
Grundsätzlich hat jeder hat einen Anspruch auf einen Platz – unabhängig von den verfügbaren Kapazitäten. Leider ist es äußerst schwierig und kräftezehrend dieses Recht auch durch zu setzen. Die sehr uneinheitliche und teilweise wenig familienfreundliche Rechtssprechung zu diesem Thema führte in den vergangenen Jahren zu einer zunehmenden Aufweichung des Rechtsanspruches. So blieben – auch von Gerichten anerkannte – Verletzungen der Rechte von Kindern und Eltern folgenlos. Erst mit einem Urteil vor dem Bundesgerichtshof im Oktober 2016 wurde höchstrichterlich – und damit für alle Bundesländer verbindlich – entschieden, dass bei einer von der Kommune zu vertretenden Amtspflichtverletzung ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls besteht.
Wer ist zuständig die Kitaplätze zu schaffen?
Die Wohnortgemeinde – bei Amtsangehörigen Gemeinden vertreten durch die Amtsverwaltung – und das Kreisjugendamt sind verantwortlich für ein ausreichendes Platzangebot. Die Amtsverwaltung und der Landkreis sind daher verpflichtet, rechtzeitig ausreichend Betreuungsplätze zu schaffen. Tun sie das nicht liegt i.d.R. eine so genannte Amtspflichtverletzung vor. Die Wohnortgemeinde und der Landkreis können sich der gemeinsamen Verantwortung nur entziehen, wenn sie ausführen (und belegen!), dass der Platzmangel „unverschuldet“ eingetreten ist. Sofern keine ausreichenden Betreuungsplätze zur Verfügung stehen, haftet die Behördenspitze des jeweils zuständigen Verwaltungsträgers.
Im Amt Brück fehlen aktuell bedarfsgerechte und zumutbare Kitaplätze. Dies ist der Amtsverwaltung bereits seit mehreren Jahren bekannt und seit gut zwei Jahren virulent. Von der Amtsverwaltung wird gern auf mangelnde finanzielle Mittel und auf die Kitabedarfsplanung des Landkreises Potsdam-Mittelmark verwiesen. Die Eltern müssen sich mit diesen Ausreden jedoch nicht begnügen. Beides führt ausdrücklich nicht zu einer „unverschuldeten Amtspflichtverletzung“. Auch in Bezug auf die Personalausstattung der vorhanden Einrichtungen wird gern auf einen vermeintlich „unverschuldeten“ Fachkräftemangel verwiesen. Tatsächlich ist jedoch auch hier die Situation bereits länger bekannt und durch die Amtsverwaltung teilweise mitverschuldet.
Muss man jeden Platz annehmen, der angeboten wird?
Nein, das Angebot muss für das Kind und die Eltern „zumutbar“ und „bedarfsgerecht“ sein.
Die „Zumutbarkeit“ eines Platzangebotes unterliegt nicht der persönlichen Meinung der Eltern sondern ergibt sich aus den rechtlichen Grundlagen bzw. der ständigen Rechtsprechung. Ob ein Platzangebot also „zumutbar“ ist, muss im konkreten Einzelfall durch einen spezialisierten Juristen geprüft werden. Warnen möchten wir an dieser Stelle vor den Zeitungsartikeln in diesem Bereich – oft sind Urteile nur unzureichend oder teilweise falsch zitiert. Sofern Sie sich selbst informieren wollen, schauen Sie daher immer in die konkreten Urteile nebst Begründung.
Einzelne relevante Punkte haben wir für Sie zusammen gestellt. Die Liste ist nicht abschließend, soll aber eine kleine Orientierung geben.
- Die Entfernung zwischen dem Wohnort und der Kita ist zu groß
- Fahrweg sollte 30 Minuten nicht überschreiten
- Der Fahrweg zum Arbeitsplatz der Eltern ist ebenfalls relevant
- Die einschlägigen Vorschriften müssen eingehalten werden
- Der gesetzliche Personalschlüssel ist mindestens eingehalten
- Die Gruppengröße darf nicht zu groß sein
- Die vorgeschriebene Spielfläche ist eingehalten
- Die Auflagen aus der Betriebserlaubnis der Einrichtung sind eingehalten
- Allgemeine Bauvorschriften und Vorschriften zum Brandschutz sind eingehalten
- Die Kindertagesstätte erfüllt ihre Aufgaben nach §3 KitaG
Ob ein Angebot „bedarfsgerecht“ ist, hängt von den persönlichen Lebensumständen der Eltern ab. Müssen die Eltern z.B. häufig nachts oder abends arbeiten, ist ein Platzangebot in der Zeit von 9:00 bis 15:00 Uhr nicht bedarfsgerecht. Das Gleiche gilt für Eltern, die im Schichtdienst tätig sind. Auch wenn die angebotene Einrichtung Schließzeiten hat und die Eltern in dieser Zeit keinen Urlaub nehmen können (z.B. in der Tourismusbranche in der Sommerzeit oder im Spielwareneinzelhandel zu Weihnachten) ist das Platzangebot nicht bedarfsgerecht, wenn keine Ersatzbetreuung existiert. Auch die Betreuungsform muss geeignet sein. So können berufstätige Eltern nicht auf einen Spielkreis verwiesen werden, da dort die ständige Anwesenheit der Eltern gefordert wird.
Es ist die Aufgabe der Gemeinde (vertreten durch die Amtsverwaltung) einen geeigneten Platz anzubieten. Es ist jedoch ausdrücklich nicht die Aufgabe einer konkreten Einrichtung z.B. Kita oder Tagesmutter. D.h. die Eltern können nicht von einer konkreten Kita verlangen, verlängerte Öffnungszeiten anzubieten, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Sie können aber von der Gemeinde verlangen mindestens eine Kita/Tagesmutter zu benennen, die passende Betreuungszeiten anbietet. Kann die Gemeinde keinen Platz anbieten, der zumutbar und bedarfsgerecht ist, ist der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz nicht erfüllt.
Der angebotene Platz ist zwar „zumutbar“ und „bedarfsgerecht“, aber man möchte lieber einen Platz in einer anderen Einrichtung. Darf man sich das aussuchen?
Das Wunsch- und Wahlrecht zwischen verschiedenen Betreuungsangeboten und -formen ist in §5 SGB VIII gesetzlich verankert. Dort heißt es
(1) Die Leistungsberechtigten haben das Recht, zwischen Einrichtungen und Diensten verschiedener Träger zu wählen und Wünsche hinsichtlich der Gestaltung der Hilfe zu äußern. Sie sind auf dieses Recht hinzuweisen.
(2) Der Wahl und den Wünschen soll entsprochen werden, sofern dies nicht mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Wünscht der Leistungsberechtigte die Erbringung einer in § 78a genannten Leistung in einer Einrichtung, mit deren Träger keine Vereinbarungen nach § 78b bestehen, so soll der Wahl nur entsprochen werden, wenn die Erbringung der Leistung in dieser Einrichtung im Einzelfall oder nach Maßgabe des Hilfeplans (§ 36) geboten ist.
Grundsätzlich darf man also zwischen verschiedenen Einrichtungen wählen, sofern Plätze frei sind.
Faktisch muss man jedoch festhalten, dass es aufgrund des akuten Platzmangels kein Wunsch- und Wahlrecht gibt und das o.g. Bundesgesetz durch die aktuelle Rechtssprechung defakto ausgehebelt wurde. Im Sinne eines umfassenden Qualitätswettbewerbes verschiedener Einrichtungen ist das äußerst kritisch zu bewerten.
Erst wenn es ein ausreichendes Platzangebot in unterschiedlichen Einrichtungen verschiedener Träger gibt, wird es wieder ein Wunsch- und Wahlrecht der Eltern geben. An dieser Stelle können wir nur allen Eltern empfehlen bei der Suche nach einen Wohnort auf ein pluralistisches Angebot von Kindertagesstätten verschiedener Träger zu achten und die Wohnortwahl entsprechend zu treffen. In den Gemeinden Borkheide/Borkwalde existiert dieses pluralistische Angebot aktuell ausdrücklich nicht. Wer auf alternative (d.h. nicht kommunale) Betreuungsformen wert legt, sollte daher einen anderen Wohnort wählen.
Wann muss man sich wo bei wem melden, um einen Kitaplatz zu bekommen?
Zunächst ist zwischen der Feststellung des Rechtsanspruches und der Aufnahme in eine konkrete Einrichtung zu unterscheiden. Ersteres ist im Amtsbereich Brück Aufgabe der Amtsverwaltung und wird via Verwaltungsakt mit einem Bescheid abgeschlossen. Bei der Aufnahme in eine konkrete Einrichtung ist eine Anmeldung bei dem jeweiligen Betreiber der Einrichtung erforderlich (im Amtsbereich Brück meistens ebenfalls das Amt Brück) Das Anmeldeverfahren kann hier sehr unterschiedlich sein. Sobald Sie sich also für eine konkrete Einrichtung entschieden haben, erkundigen Sie sich bitte bei der Kitaleitung nach dem Anmeldeverfahren.
Grundsätzlich ist der Rechtsanspruch durch den örtlichen Jugendhilfeträger zu prüfen. In Borkheide/Borkwalde hat der örtliche Jugendhilfeträger (Jugendamt vom Landkreis Potsdam-Mittelmark) diese Aufgabe an die Gemeinden übertragen. D.h. das Amt Brück ist mit der Prüfung des Rechtsanspruches betraut. Die Herausgabe der Formulare wird von der Amtsverwaltung jedoch regelmäßig verweigert. I.d.R. wird von den Eltern gefordert, das Formular drei Monate vor dem Platzantritt persönlich unter Mitwirkung der Amtsmitarbeiter im Amt auszufüllen. Dies kann jedoch für die Eltern einige unangenehme rechtliche sowie wirtschaftliche Konsequenzen haben.
Überlegen Sie sich, ob Sie eine Agentur (z.B. Juniko) mit der Suche nach einem Kitaplatz beauftragen wollen. Die Kosten halten sich im Rahmen und Sie sparen Nerven und insbesondere Zeit, die Sie mit ihrem Kind verbringen könnten. Falls Sie sich selbst um einen Platz bemühen möchten empfehlen wir das unten stehende Vorgehen:
- Sobald Sie absehen können, ab wann Sie den Platz benötigen (z.B. Umzugsdatum, Geburtstermin) melden Sie den Bedarf formlos und schriftlich (z.B. per Mail) in der Amtsverwaltung an. Bitten Sie in diesem Zuge um die Übersendung der Antragsformulare.
- Spätestens sechs Monate bevor Sie den Platz benötigen, stellen sie einen schriftlichen Antrag zur Feststellung des Rechtsanspruches und einen Antrag auf einen konkreten Platz in Ihrer Wunschkita bzw. bei Alternativkitas. Dieser Antrag kann formlos gestellt werden (einen unverbindlichen Beispielbrief finden Sie unter „zum Weiterlesen“). Er sollte den Betreuungsbeginn, die notwendigen Betreuungszeiten, einen Nachweis des Arbeitgebers über die Arbeitszeit und Angaben über die Dauer des Arbeitsweges enthalten. Auf den Nachweis der Arbeitszeiten und des Arbeitsweges kann verzichtet werden, wenn ausschließlich der Kernrechtsanspruch genutzt werden soll. Sofern Sie (noch) außerhalb des Amtsbereiches wohnen, lassen Sie sich ihren Rechtsanspruch von ihrer Wohnortgemeinde bestätigen.
- Drei Monate bevor Sie den Platz benötigen stellen Sie – wie vom Amt gewünscht – den Antrag direkt in der Amtsverwaltung. Lassen Sie sich eine Kopie des Antragsformulars aushändigen! Sofern Sie Schritt 2 durchgeführt haben ist dieser Schritt entbehrlich und soll nur der Amtsverwaltung entgegen kommen. Sie brauchen sich im Übrigen nicht überreden lassen andere oder geringere Betreuungszeiten zu akzeptieren als Sie tatsächlich benötigen. Das gilt insbesondere dann, wenn die Öffnungszeiten der Kindertagesstätten von ihrem Bedarf abweichen. Es ist die Aufgabe der Amtsverwaltung Ihnen einen bedarfsgerechten Platz anzubieten. Spätestens jetzt sollten Sie unabhängig vom Arbeitsstand im Amt Brück ergänzend einen Kitaplatz beim Jugendamt (Fachdienst für Finanzhilfen) erfragen. Legen Sie dazu entweder den Bescheid über den Rechtsanspruch (sofern vorhanden) oder die Unterlagen zum Rechtsanspruch (Nachweis des Arbeitgebers über die Arbeitszeit und Angaben zur Dauer des Fahrwegs) vor. Das Amt ist zwar verpflichtet entsprechende Anfragen ggf. weiter zu leiten, dennoch schadet eine selbstständige ergänzende Information nicht – verweisen Sie jedoch auf den offenen Vorgang im Amt Brück um eine doppelte Bearbeitung zu vermeiden. Stellen Sie schriftlich Platzanträge bei allen in Frage kommenden Kitas und in der Tagespflege. Alle Anträge sollten schriftlich gestellt werden. Ebenso sollten Sie sich alle Rückmeldungen schriftlich aushändigen lassen.
- Sollten Sie eine mündliche Antwort erhalten, bestehen Sie auf einen schriftlichen Bescheid. Nur mit einem schriftlichen Bescheid ihres Antrages auf Feststellung des Rechtsanspruches können sie ggf. weitere Schritte einleiten. Das gilt ganz besonders dann, wenn ihr Antrag abgelehnt oder aber mit abweichenden Betreuungszeiten genehmigt wurde. In der Vergangenheit wurden die Anträge der Eltern nur sehr zögerlich formal korrekt beschieden. Stellen Sie sich daher auf eine längere Auseinandersetzung ein und bemühen Sie ggf. einen Rechtsanwalt.
- Sollte man sich anhaltend und trotz mehrfacher Aufforderung weigern Ihren Antrag schriftlich zu bescheiden steht Ihnen nach drei Monaten das Rechtsmittel der Untätigkeitsklage zur Verfügung. Eine Untätigkeitsklage kann auch formlos und ohne Hilfe eines Rechtsanwaltes beim Verwaltungsgericht eingereicht werden. Wir möchten dennoch dringend die Beratung durch einen Rechtsanwalt empfehlen. Wenden Sie sich vorzugsweise an einen Anwalt, der nicht nur im Verwaltungsrecht spezialisiert ist. Er sollte ebenfalls Kenntnisse im Zivilrecht besitzen und idealerweise auf Kitathemen spezialisiert sein. In der Regel übernimmt die Rechtsschutzversicherung die Kosten.
Und wenn das Kind keinen zumutbaren und bedarfsgerechten Kitaplatz/Tagespflegeplatz bekommt?
In diesem Fall können sie alternativ
- eine Kinderfrau einstellen
- beruflich kürzer treten
- eine private Kita nutzen (gibt es jedoch im Amtsbereich Brück nicht)
Mehrkosten (also abzüglich der Kitakosten!) können Sie ersetzt verlangen. Diesen Anspruch gerichtlich durch zu setzen ist jedoch sehr schwierig, kräftezehrend und zeitaufwändig. Die Hürden um die Mehrkosten zurück zu erhalten sind sehr hoch.
Sie sollten nachweisen können, dass Sie:
- sich rechtzeitig (ca. 6 Monate vorher) und ausreichend (d.h. bei allen verfügbaren Einrichtungen und dem Jugendamt) um einen Platz bemüht haben
- vergeblich eine Verpflichtungsklage gegen die Gemeinde/Kreisjugendamt um einen Kitaplatz geführt haben. Sie müssen dabei alle zumutbaren und bedarfsgerechten Platzangebote akzeptieren.
- den Schaden so gering wie möglich gehalten haben (d.h. eine private Kita ist z.B. einer Kinderfrau vorzuziehen)
- idealerweise schlüssig Argumentieren (der Jurist spricht von Anscheinsbeweis) können, dass ein Verschulden der Amtverwaltung bzw. des Jugendamtes vorliegt.
Der Weg um ihre Ansprüche durch zu setzen ist also:
- Rechtzeitig den Bedarf mitteilen und rechtzeitig – also min. 6 Monate vorher – Antrag stellen
- Verwaltungsakt mit einem Bescheid abschließen (Dauer: max. 3 Monate)
- Widerspruch im Rahmen der Widerspruchsfrist, die auf dem Bescheid angegeben ist (i.d.R. 1 Monat) gegen die Ablehnung einlegen.
- Rückmeldung auf den Widerspruch von der Verwaltung erhalten (Dauer: max. weitere 3 Monate)
- Verpflichtungsklage im Eilverfahren auf einen Betreuungsplatz gegen die Gemeinde/Kreisjugendamt führen (Dauer: ca. 4-6 Wochen)
- Sofern die Verpflichtungsklage im Ergebnis scheitert den Schaden (so gering wie möglich und abzüglich der Kitakosten) in einem Zivilverfahren geltend machen. (ca. 1 bis 2 Jahre) In für Eltern aussichtsreichen Fällen stimmen die Gemeinden jedoch einer außergerichtlichen Einigung häufig zu.
Außer bei den Punkten 1 und 2 ist die Beratung durch einen sachkundigen Anwalt dringend angezeigt. In der Vergangenheit hat sich jedoch gezeigt, das Eltern, die Ihre Rechte kennen und diese konsequent einfordern erfolgreich bei der Durchsetzung dieser Rechte sind.
Einige Fallbeispiele
Beide Eltern im Schichtdienst und nun?
Zunächst ist ein Platzantrag an die Gemeinde bzw. das Amt zu stellen. Dieser Antrag muss Angaben zu den Arbeitszeiten und Fahrwegen enthalten. Darüber hinaus sollte darauf verwiesen werden, dass Ihre persönlichen Lebensverhältnisse Schlafpausen am Tag erfordern. Ihr Kind hat ferner – alters- und entwicklungsbedingt – das Bedürfnis und den Anspruch auf einen regelmäßigen Tagesablauf. Sie werden daher zeitweise eine 24h-Kinderbeteuung brauchen. Kann die Gemeinde diesen Rechtsanspruch (Achtung: Dieser Rechtsanspruch muss zunächst von der Gemeinde anerkannt werden!) nicht erfüllen, können Sie sich selbst um eine Betreuung bemühen. Stellen Sie z.B. eine Kinderfrau (z.B. Nachbarin oder befreundete Mutter) ein, ist diese von der Gemeinde zu finanzieren. Sollte einer der Eltern alternativ eine schlechter bezahlte Stelle annehmen müssen um die Betreuung selbst durch zu führen ist der Verdienstausfall zu ersetzen.
Kein Kitaplatz, aber ein Platz in einem Spielkreis
Die Gemeinde hat keine freien Kitaplätze. Sie bietet Ihnen aber einen Platz in einem Spielkreis an. Da ein Spielkreis die Teilnahme der Eltern voraus setzt, erfüllt das Angebot nur den Rechtsanspruch, wenn Sie teilnehmen möchten. Eine einfache Verweigerung der Teilnahme genügt also, sodass der Rechtsanspruch unerfüllt bleibt. In jedem Fall unerfüllt ist der Rechtsanspruch für berufstätige Eltern, da er nicht bedarfsgerecht ist – jedoch nur solange die Eltern auf eine Teilnahme verzichten.
Leider versucht die Amtsverwaltung über einen Spielkreis billig den Rechtsanspruch von Kindern von Erwerbslosen und Hausfrauen/Hausmännern zu erfüllen. Im Interesse der Kinder ist diese soziale Segregation nicht! Wir empfehlen daher den Eltern solche Angebote grundsätzlich nicht zu nutzen und auf privat organisierte Angebote auszuweichen.
Schwer kranke Mutter: Besteht ein Anspruch auf eine erweiterte Betreuungszeit?
Ja, wenn es die persönliche Lebenssituation es erfordert, ist immer eine längere Betreuungszeit möglich. Dies umfasst nicht nur die Berufstätigkeit der Eltern, sondern auch eine schwere Erkrankung. Leider ist uns ein Fall bekannt, wo eine schwer an Krebs erkrankte Schwangere überredet wurde nur die Mindestbetreuungszeit für ihr erstgeborenes Kind in Anspruch zu nehmen und auf eine längere – dringend notwendige verlängerte Betreuungszeit – zu verzichten. Dies ist absolut inakzeptabel, selbstverständlich hätte die Mutter Anspruch auf eine längere Betreuungszeit für ihr Kind gehabt. Auch dieses Beispiel zeigt: Prüfen Sie genau, wozu Sie sich überreden lassen und auf welche Rechte Sie freiwillig verzichten möchten.
Noch nicht hierher gezogen, aber ein Häuschen gebaut?
Grundsätzlich ist für die Prüfung des Rechtsanspruches die Wohnortgemeinde oder das Jugendamt zuständig. Den Platzantrag stellen Sie jedoch bei dem Träger der Einrichtung (im Amtsbereich Brück fast immer das Amt). Beide Funktionsbereiche werden in der Amtsverwaltung leider nicht klar voneinander getrennt. Das führte in der Vergangenheit dazu, dass Eltern, die Ihren ständigen Wohnsitz noch nicht in den Amtsbereich verlegt haben, keine Antragsformulare ausgehändigt wurden. Lassen Sie sich daher Ihren Rechtsanspruch von Ihrer Wohnortgemeinde bestätigen und stellen Sie den Antrag formlos beim Träger ihrer Wunschkita (im Amtsbereich Brück i.d.R das Amt Brück). Über den Antrag muss dann binnen drei Monate entschieden werden.
Einen Kitaplatz ergattert aber nun sollen Schließzeiten eingeführt werden?
Ihr Kind hat einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz – dieser gilt auch in der Schließzeit! Verzichten Sie auf eine Kinderbetreuung verzichten Sie freiwillig auf einen Teil des Rechtsanspruchs. Sofern Sie also eine Betreuung in der Schließzeit Wünschen haben Sie bzw. Ihr Kind einen Anspruch gegenüber der Gemeinde darauf. Diese muss Ihnen entweder eine Notbetreuung oder einen Platz in einer anderen Einrichtung anbieten. Ein Beschluss durch einen Kitaausschuss ändert daran übrigens nichts.
Dennoch gibt es gute Gründe – auch als Eltern – mit einer Schließzeit einverstanden zu sein. So führen Schließzeiten i.d.R. zu einer verbesserten Personalausstattung in den regulären Betreuungszeiten, da der Urlaub der pädagogischen Fachkräfte bereits abgegolten wurde. Die Erzieher tragen ihren Teil bei, indem sie auf eine freie Urlaubsplanung verzichten. Eltern sollten daher darauf achten, dass nicht nur Eltern und Erzieher einen Beitrag für eine verbesserte Personalsituation leisten. Man darf durchaus einen mindestens gleichwertigen Beitrag von der Wohnortgemeinde erwarten.
Wenn ich keinen Kitaplatz bekomme, kann ich dann meine Nachbarin als Kinderfrau einstellen – auch wenn sie keine pädagogische Ausbildung hat? (Ergänzt am 19.01.2018)
Grundsätzlich ja, es gilt hier die Vertragsfreiheit. Beachten Sie aber bitte folgendes: Es geht dabei nicht um die Erfüllung des Rechtsanspruches – dieser bleibt weiterhin unerfüllt. Sie kommen hier lediglich Ihrer Schadensminderungspflicht nach. D.h. wenn Sie die Mehrkosten gegenüber der Kita erstattet haben möchten, sollten Sie einen schriftlichen Betreuungsvertrag schließen und den Aufwandsersatz überweisen (nicht Bar aushändigen!). Darüber hinaus müssen Sie prüfen ob eine Unfallversicherung (und ggf. weitere Versicherungen) greifen, ein Angestelltenverhältnis vorliegt und und und… Da es hier i.d.R. um erheblich Summen und auch Rechtsfolgen für Ihre Nachbarin geht empfehlen wir hier ebenfalls (evtl. auch gemeinsam) den Gang zu einem Anwalt, der Ihnen im Rahmen einer individuellen Rechtsberatung wichtige Hinweise geben kann. Sollten Sie kein Schadensersatz gegenüber der Gemeinde/Kreisjugendamt geltend machen und es handelt sich lediglich um eine gelegentliche Unterstützung, können Sie das wie bei einem Wochenendaufenthalt bei der Oma regeln – privat mit mündlichen Absprachen.
Ich habe eine mündliche Platzzusage vom Amt Brück bekommen. Reicht das nicht? (Ergänzt am 19.01.2018)
Nein! Uns sind mehrere Fälle bekannt, wo Eltern zunächst eine mündliche Zusage bekommen haben und später eine schriftliche Absage. Es handelt sich lediglich um eine „Hinhaltetaktik“ des Amtes um sich alle Optionen offen zu halten. Stellen Sie unbedingt rechtzeitig einen schriftlichen Antrag (vgl. „Kochrezept“ oben)! Ohne Antrag können Sie Ihre Rechte nur sehr viel schwerer einfordern und müssen im Fall einer Absage möglicherweise mehrere Monate Verdienstausfall selbst tragen – ohne Chance auf Schadensersatz.
Ich habe noch einige Tage Urlaub übrig und könnte daher auch etwas später mit der Eingewöhnung unseres Kindes beginnen, (Ergänzt am 29.01.2018)
Das ist prima und hilft Familien, die diese Möglichkeit nicht haben ABER verwenden Sie in Ihrem schriftlichen Antrag dennoch den Zeitpunkt ab dem der Rechtsanspruch entsteht. Sie können der Amtsverwaltung nach der Antragstellung jeder Zeit soweit entgegen kommen, wie es Ihnen möglich ist und soweit wie Sie es möchten. Sie sollten Ihr Entgegenkommen jedoch schriftlich fixieren und nicht im Vorfeld – also bereits vor Antragstellung – auf Ihren Rechtsanspruch verzichten.
Die Gemeinde sagt, sie wäre nicht zuständig und verweist uns an den Landkreis. Der Landkreis wiederum stellt keine Bescheide aus. Gern würden wir einen Anwalt einschalten, unsere Rechtsschutzversicherung verweigert aber ohne Bescheid die Kostenübernahme (Ergänzt am 02.03.2018)
Das niedrigste Kostenrisiko haben Sie, wenn Sie sich an eine Agentur (z.B. Juniko) wenden. Die Agenturen arbeiten häufig mit Partneranwälten zusammen. Alternativ können Sie auch ohne Zusage der Rechtsschutzversicherung einen Anwalt einschalten. Der Anwalt kann sich dann selbst mit der Rechtsschutzversicherung auseinander setzen- das klappt dann häufig (aber nicht immer) besser. Auch der Versicherungsombudsmann kann helfen die Rechtsschutzversicherung in die Pflicht zu nehmen. Das Verfahren beim Ombudsmann ist kostenlos und häufig erfolgreich.
Weder Landkreis noch Gemeinde fühlen sich zuständig. Wer ist denn nun für was zuständig? (Ergänzt am 02.03.2018)
Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ist in der Bundesgesetzgebung geregelt – das Gesetz steht aber unter Landesvorbehalt. D.h. wie der Rechtsanspruch im Detail ausgestaltet wird regelt die Landesgesetzgebung (KitaG, KitaPersV usw.) und ist damit in jedem Bundesland unterschiedlich. In Brandenburg (und auch in einigen wenigen anderen Bundesländern) liegt die Rechtsanspruchsprüfung beim Kreisjugendamt, wobei – und hier wird es richtig anstrengend – das Kreisjugendamt diese Aufgabe per Vertrag an die Gemeinden übertragen kann. Kurzum: In jeder Gemeinde (auch innerhalb eines Kreises) kann die Zuständigkeit unterschiedlich sein! In Borkwalde bspw. ist die Rechtsanspruchsprüfung per Vertrag an das Amt Brück bzw. die Gemeinde delegiert worden. Das heißt die Wohnortgemeinde bescheidet über den Rechtsanspruch. In einer anderen Gemeinde im Landkreis Potsdam-Mittelmark kann das aber anders aussehen. Dennoch kann man sich immer an die Wohnortgemeinde wenden. Bei fehlender Zuständigkeit sind die Anträge unverzüglich an die zuständigen Stellen weiter zu leiten (§16 Abs. 2 SGB I).
Die positive Rückmeldung bezüglich eines Kitaplatzes ist eine andere „Baustelle“. Die Kita-Gemeinde – in der Funktion als Betreiber einer Einrichtung und nicht als Wohnortgemeinde – entschiedet (nicht bescheidet!) über den Kitaplatz. Wenn sich keine Kita oder Tagesmutter finden lässt, muss man beim Landkreis die Zuweisung eines Kitaplatzes beantragen. Eltern können diesen Antrag aber auch bei jeder anderen öffentlichen Verwaltung stellen (also z.B. auch bei der Gemeinde). Bei fehlender Zuständigkeit sind die Anträge unverzüglich an die zuständigen Stellen weiter zu leiten (§16 Abs. 2 SGB I). Es braucht sich also niemand von einer Verwaltung zur nächsten schicken zu lassen – die Weitergabe der Anträge hat die Verwaltung selbstständig zu erledigen. Besser ist natürlich dennoch, wenn man direkt die zuständige Stelle anschreibt, diese zu identifizieren ist aber mitunter nicht einfach. Ein Anwalt kann dabei wertvolle Unterstützungsarbeit leisten.
Hinweise
Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag nicht von Juristen verfasst, sondern von Eltern für Eltern geschrieben wurde. Die Prüfung Ihres ganz konkreten Einzelfalls sollten Sie bei Bedarf einem Rechtsanwalt überlassen.
Gern möchten wir weitere Fallkonstellationen ergänzen. Schildern Sie uns doch ihr ganz persönliches Erlebnis. Gern veröffentlichen wir Ihre Geschichte.
Zum Weiterlesen
Beispielbrief für einen Platzantrag
Artikel der MAZ über Kitaplatzsituation in Borkheide
Kitarechtler zum BGH-Urteil auf Schadensersatzanspruch
Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege im SGB VIII §§ 22-26
Die Suche nach einem Krippenplatz – geschildert aus der Sicht einer Mutter
Artikel über den Rechtsanspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls bei fehlenden Plätzen
Haftung der Gemeinden für fehlende Krippenplätze
Fragen und Antworten zum Rechtsanspruch auf ein Kitaplatz
Stand: 01.02.2018