Zahnpflege in Kindertagesstätten

Autor: Dr. med. Ulrike Petrus

Ausgangssituation

Seit dem 28.09.2015 werden in der Kita Regenbogen in Borkwalde keine Zähne mehr geputzt (ausgenommen Vorschule).
Diese Entscheidung ist weder im Einvernehmen mit den Eltern getroffen worden, noch wurde sie mit dem verantwortlichen zahnärztlichen Dienst abgesprochen.

„Zahngesundheit ist Kindergesundheit. Gesunde Milchzähne beeinflussen die gesamte Entwicklung der Kinder positiv. Regelrechte Sprach-, Gebiss- und Kieferentwicklung, körperliches Wohlbefinden, Aufnahme kauaktiver Kost, soziale Integration – für alle diese Bereiche sind gesunde Kinderzähne ein absolutes Muss. Doch sind Kinder abhängig von ihren Bezugspersonen, die in den ersten Lebensjahren einen wertvollen Beitrag zur Kindergesundheit leisten!“ (2)

Frühkindliche Karies ist die häufigste chron. Erkrankung im Kleinkind- und Vorschulalter!

Wer kümmert sich im Land Brandenburg um die Zahngesundheit der Kinder?

Die gesunde Entwicklung der Zähne von Kindern wird landesweit durch den zahnärztlichen Dienst begleitet und dokumentiert. Dieser ist Teil der Gesundheitsämter und übernimmt zahlreiche gesetzliche Aufgaben (abgeleitet aus dem Sozialgesetzbuch und dem Kitagesetz). Insbesondere umfassen die Aufgaben:

  • Aussprechen von Empfehlungen zur Zahngesundheit
  • Förderung von zahngesundem Verhalten in Kitas
  • Aufklärung und Hilfestellung bei der Umsetzung
  • Jährliche Gruppenprophylaxe bzw. Reihenuntersuchungen

Der Zahnärztliche Dienst empfiehlt im Programm „Kita mit Biss“ insbesondere die Unterstützung und Begleitung der tägliche Zahnpflege mit fluoridhaltiger Kinderzahnpasta – je nach Entwicklungsstand der Kinder nach der Zahnputzsystematik KAI durch die Kita. (1, 6) Ebenso empfehlen sowohl die DAJ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V.) als auch die LZKB (Landeszahnärztekammer Brandenburg) das tägliche Zähneputzen in der Kita. (11,12) Zu den Erfolgen dieser Maßnahmen siehe (16,17) und zu den Negativfolgen des Einstellens der Präventionsmaßnahme tägl. Zähneputzen siehe (23).

Wie sind die Aufgaben der Kita im Bereich Zahnhygiene gesetzlich geregelt?

Die Aufgaben der Kita im Bereich gesunde Versorgung und Ernährung sind im KitaG festgelegt und werden durch andere Verordnungen und Empfehlungen flankiert.

Im KitaG heißt es u.a.

  • Kindertagesstätten ergänzen und unterstützen die Erziehung in der Familie (§3 Abs.1 KitaG)
  • Kindertagesstätten haben insbesondere die Aufgabe eine gesunde Ernährung und Versorgung zu gewährleisten.“ (§3 Abs.2 Satz 7 KitaG)
  • Der Träger der Einrichtung oder die Tagespflegeperson hat den öffentlichen Gesundheitsdienst dabei zu unterstützen, dass alle in Kindertagesbetreuung befindlichen Kinder in Ergänzung sonstiger Vorsorgeangebote gemäß dem Brandenburgischen Gesundheitsdienstgesetz ärztlich und zahnärztlich untersucht werden (§11 Abs.1 Satz 1 KitaG)

Der Rahmenhygieneplan des Gesundheitsamtes vom Land Brandenburg ergänzt: „Die tägliche Zahnpflege sollte nach dem Frühstück oder dem Mittagessen ausgeübt werden.“ (7)

Der Gesetzgeber bringt damit klar zum Ausdruck, dass ihm die Zahngesundheit der Kinder in den Kindertageseinrichtungen ein Anliegen ist.

11 Argumente für das tägliche Zähneputzen in der Kita

  1. Es bietet allen Kindern gleiche Chancen auf gesunde Zähne
  2. Es trägt zur Bewusstseins- und Gewohnheitsbildung bei
  3. Kinder lernen früh, Eigenverantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen
  4. Wird dieses Thema in der Kita aufgegriffen, vermitteln die ErzieherInnen „es ist wichtig“ und verstärken somit den präventiven Ansatz
  5. Kontinuierliche vorbeugende Maßnahmen in Kitas sind besonders effektiv, denn durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit wird die Gesundheit der Kinder nachhaltig gefördert (5)
  6. Durch Aufklärung werden auch Impulse ins Elternhaus gegeben
  7. Fähigkeit zur Zahnpflege ist nicht angeboren – sie muss erlernt und immer wieder geübt werden
  8. Auch bei nicht perfekter Putztechnik wird eine regelmäßige, lokale Fluoridierung der Zähne erreicht
  9. Motivation und Lernbereitschaft werden durch das Gruppenerlebnis gesteigert: Nachahmungseffekt, jüngere lernen von älteren Kindern
  10. Zahnbelag verursacht kariöse Zähne, nicht die Bakterien (Bakterienbesiedlung der Mundhöhle ist normal und nicht zu verhindern. Problematisch sind die Fermentierungsprozesse des Zahnbelags, wobei Säuren entstehen, die den Zahnschmelz angreifen – einzige Lösung: Zahnbelag muss regelmäßig weggeputzt werden) (4)
  11. Kinder verbringen viel Zeit in der Kita (> 80% der Kinder in der Kita Regenbogen werden mehr als 6 Std. betreut) d.h. sie nehmen  zwei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten ein

Vermeintliche Bedenken bei der Umsetzung des täglichen Zähneputzens in der Kita

 

Durch das Vertauschen der Zahnbürsten besteht eine erhöhte Infektionsgefahr

Unter Einhaltung der vorgeschrieben hygienischen Grundregeln (vgl. 8)  können laut Robert-Koch-Institut (RKI) diese Bedenken nicht bestätigt werden. Es ist KEIN Fall einer  Übertragung einer gefährlichen Erkrankung durch vertauschte Zahnbürsten bekannt (8). Vielmehr wirken Zahnpasten antibakteriell und beugen damit Infektionen vor.

Zähneputzen ist die Ursache von Karies, da durch das Vertauschen von Zahnbürsten Kariesbakterien übertragen werden.

Kariesbakterien werden durch Speichel übertragen. Der Hauptüberträger sind jedoch die Eltern (Verwendung gleicher Löffel, Säubern von Nuckel bzw. Nuckelflachen durch Ablutschen, Küsschen usw.) und nicht die Zahnbürsten anderer Kinder. Spätestens nach dem ersten Geburtstag findet eine Übertragung im Krippenbereich (z.B. durch Spielzeug, vertauschte Flaschen) statt. Eine Übertragung von Kariesbakterien kann nicht verhindert werden und hat i.d.R. vor dem Besuch des Kindergartens stattgefunden. Die schädlichen Auswirkungen – kariöse Zähne – können hingegen ausschließlich durch Zähneputzen verhindert werden.

Die Zahnbürsten werden für alles andere nur nicht zum Zähneputzen verwendet (Geschmiere mit Zahnpasta, „Verletzungsgefahr“ durch Zahnbürsten, Toilette schrubben)

Zähneputzen muss geübt werden, klare Strukturen und Regeln helfen dabei. Der zahnärztliche Dienst empfiehlt ein Einführungsprogramm sowie das  Vormachen durch eine Erzieherin. Unterstützen können eine bebilderte Schautafel und Zahnputzreime/Lieder (2)

Es fehlt an Personal, um das Zähneputzen zu beaufsichtigen

Wünschenswert wäre selbstverständlich mehr Personal. Nach schrittweiser, intensiver Übungsphase, sollte aber der Ablauf klar sein und damit auch weniger Aufsicht notwendig werden. Ältere Kinder können als „Zahnputzpaten“ fungieren (2) Bei der Umsetzung kann der zahnärztliche Dienst unterstützen. Auch kann der Austausch mit einer der 11 Konsultationskitas im Land Brandenburg Anregungen zu Umsetzung geben (5)

In anderen Kindertagesstätten wird auch nicht geputzt

In mehr als 90% der Kitas im Land Brandenburg werden die Zähne geputzt. Die Städte Brandenburg/Havel, Frankfurt/Oder und Cottbus erreichen sogar 100% (4). Laut mündlicher Aussage des Zahnärztlichen Dienstes fällt Potsdam-Mittelmark und hier insbesondere der Amtsbereich Brück negativ auf. Bereits vor drei Jahren schaltete sich daher Landrat Wolfgang Blasig in diese Diskussion ein und sprach sich klar für das Zähneputzen in den Kindertagestätten aus (20). Will sich Borkwalde wirklich in diese Negativstatisitk einreihen?

Häufiges Zähneputzen greift den Zahnschmelz an

Empfohlen wird das Zähneputzen nach den Hauptmahlzeiten, um eine ausreichende Entfernung des Zahnbelags und damit den Angriffspunkt der Kariesbakterien zu beseitigen. hiermit und mit der gleichzeitigen Fluoridierung durch die Zahnpasta wird der Zahnschmelz nicht geschädigt, sondern geschützt.

Es muss 30 Min nach dem Essen gewartet werden bis Zähne geputzt werden dürfen, um den Zahnschmelz nicht zu schädigen.

Nein! Diese Empfehlung gilt nicht für Kinder, sondern für Erwachsene mit speziellen Befunden nach erhöhtem Konsum von hoch säurehaltigen Lebensmitteln. Bei Kindern gilt: Regelmäßiges Zähneputzen nach den Hauptmahlzeiten ohne Wartezeit. (2)

Zähneputzen – das ist Sache der Eltern

Ja, ist es – aber nicht ausschließlich. Der Großteil der Kinder (mehr als 80% in der Kita Regenbogen) besucht die Kita über 6 Stunden (teilweise bis zu 12 Stunden) täglich, in dieser Zeit werden zwei Hauptmahlzeiten und zwei Zwischenmahlzeiten eingenommen. Die Kinder werden also den größeren Anteil des Tages nicht von den Eltern versorgt. Deshalb sollte die Zahngesundheitserziehung zum selbstverständlichen Tagesablauf gehören. Kinder, die das Zähneputzen in der Einrichtung über die Jahre erleben, greifen auch zu Hause eher zur Zahnbürste, sogar dann, wenn die Eltern das Zähneputzen nicht aktiv unterstützen. (2)

Es gibt Kinder, die kommen mit ungeputzten Zähnen in die Kita. Die Erzieher können nicht kompensieren was im Elternhaus nicht geleistet wird.

Gerade diese Kinder sind auf die tägliche Zahnhygiene in der Kita angewiesen. Darüber hinaus sind in diesen Fällen zum Wohle der Kinder Elterngespräche dringend angezeigt. Gegenüber den Eltern kann die Notwendigkeit von täglicher Zahnpflege jedoch nur glaubhaft vertreten werden, wenn diese auch in der Kita gelebt wird. „Finger Pointing“ ist in diesen Fällen nicht angebracht und schadet den betroffenen Kindern.

Wir haben wenig Geld und möchten es für andere Dinge als für Zahnputzzeug ausgeben

Prophylaxematerialien (Zahnbürsten, -becher und -pasta) werden zum Gebrauch in der Kita vom zahnärztlichen Dienst gestellt. Die Bedarfsklärung und Ausgabe erfolgt zweimal jährlich. (4)

Wie könnte eine mögliche Lösung aussehen?

Zunächst möchten wir darum bitten, die alte Situation wieder herzustellen (d.h. Zähneputzen ab dem 3. Geburtstag) entsprechend dem Kita-ABC, bis alle Beteiligten  und insbesondere das Personal der Kita Gelegenheit hatte, sich umfassend zu informieren. Darüber hinaus möchten wir darum bitten, die umfangreichen und kostenfreien Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen.

Dazu gehört insbesondere

  • Ausführliche Beratung durch den Zahnärztlichen Dienst
  • Unterstützung/Begleitung bei der Umsetzung der täglichen Zahnpflege durch den Zahnärztlichen Dienst

Gern stehen wir für eine erneute sachliche Diskussion im Anschluss zur Verfügung. Gern können dann gemeinsam Lösungen erarbeitet werden.

Stand: 26.01.2016

Quellen:
(1)Gruppenprophylaxe im Land Brandenburg und Empfehlungen zur täglichen Zahnpflege in Kitas: http://www.brandenburger-kinderzaehne.de/Kita-Tagespflege.286.0.html
(2)LAGZ Sachsen e.V. (Landesarbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege) Flyer „Gesund beginnt im Mund…“
(3)Kitagesetz http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/detail.php/5lbm1.c.49084.de
(4)Frau Dr. G. Rojas, Zahnärztlicher Dienst Brandenburg/Havel und Landeskoordinatorin
(5)Konsultationskita zum Thema Gesundheit: AWO „Kita Zauberstein“, Gemeinde Hohen Neuendorf (Oberhavel), Ansprechpartner Frau Rahn, Tel. 03303/215660; Liste unter: http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/media.php/bb2.c.406282.de
(6)Kita mit Biss „Handlungsleitlinien“ www.brandenburger-kinderzaehne.de oder http://www.daj.de/uploads/tx_zwexmarketofposs/Handlungsleitlinien-FRO.jpg
(7)http://www.gesunde.sachsen.de/download/Download_Gesundheit/RHPl_Kita.pdf, Rahmenhygieneplan für Kindereinrichtungen, S.8
(8)Umgang mit Zahnbürsten in der Kita und Hygieneregeln (Stellungnahme des Robert Koch Institust): http://www.rki.de/DE/Content/Infekt/Krankenhaushygiene/ThemenAZ/Z/Zahnbuerste_29-06-12.html
(9)Studie „Frühkindliche Karies bei Kleinkindern im Land Brandenburg“ https://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/?id=artikelautor&artikel2=769
(10)Interview mit Fr. Dr. G.Rojas zu Präventionsprogramm „Kita mit Biss“ vom 09.11.2015 https://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de/?id=artikelautor&artikel2=999
(11)DAJ (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e.V. http://www.daj.de/Home.8.0.html
(12)LZKB (Landeszahnärztekammer Brandenburg) http://www.lzkb.de/patienten/aktuelle-nachrichten/zahnb%C3%BCrsten-d%C3%BCrfen-in-den-kinderg%C3%A4rten-nicht-fehlen
(13)Elternbrief der Informationsstelle für Kariesprophylaxe. http://www.kariesvorbeugung.de/fileadmin/user_upload/dokumente/Elternbrief-rund-um-Zaehne-und-Mund.pdf
(14)DAJ (Deutsche Gesellschaft für Jugendzahnpflege) zum Thema frühkindliche Karies: http://www.daj.de/fileadmin/user_upload/PDF_Downloads/DAJEmpfehlungU3_final0612.pdf
(15)http://www.zm-online.de/hefte/Fruehkindlicher-Kariesvorbeugen_124489.html#1 und Studie „Frühkindliche Karies und assoziierte Risikofaktoren bei Kleinkindern im Land Brandenburg“, veröffentlicht im Bundesgesundheitsblatt Heft 11/12 2012
(16)Gesundheitsberichterstattung „Gemeinsam für gesunde Kinderzähne“ 20 Jahre Gruppenprophylaxe im Land Brandenburg http://www.masgf.brandenburg.de/cms/media.php/lbm1.a.3310.de/zahngesundheit_kinder_20j.pdf
(17)Untersuchungen der Zahnärztlichen Dienste im Land Brandenburg, Statistik der     Mundgesundheit
http://www.gesundheitsplattform.brandenburg.de/sixcms/list.php?page=gesi_startseite_neu_p
(18)Zieltabelle Mundgesundheit: http://www.buendnis-gesund-aufwachsen.de/fileadmin/redaktion/dokumente/AG_Mundgesundheit/Zieltabelle/2014_BGA_Zieletabelle_AG_Mundgesundheit.pdf
(19)„Zähneputzen, nein danke!? Im Amt Brück fragen besorgte Eltern, warum das Zähneputzen in den Kitas eingesteltt werden soll.“ http://www.blickpunkt-brandenburg.de/nachrichten/archiv/artikel/7746
(20)„Erste Kitas schaffen Zähneputzen ab. Gesundheitsamt warnt vor Abbau von Hygienestandards“ http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Erste-Kitas-schaffen-Zaehneputzen-ab
(21)„Kitas vernachlässigen das Zähneputzen. Zahnärztlicher Dienst mahnt zur Mundhygiene.“ http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Kitas-vernachlaessigen-das-Zaehneputzen
(22)„Ärzte fordern Zähneputzen in Kitas http://www.maz-online.de/Lokales/Potsdam-Mittelmark/Aerzte-fordern-Zaehneputzen-in-Kitas
(23)http://www.dzw.de/artikel/immer-mehr-kitas-stellen-das-gemeinsame-zaehneputzen-ein
(24)Fernsehbeitrag: RBB Klartext vom 30.01.2013 „Auf den Zahn gefühlt“
http://www.ardmediathek.de/rbb-fernsehen/klartext/auf-den-zahngefuehlt?documentId=13243324 (leider nicht mehr online abrufbar)

Zu Weiterlesen

Faltblatt zum Zähneputzen unter Mitwirkung von der Elterninitiative proKita entstanden